Die Anatomie von Hypes
Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) beschäftigt aktuell die Welt, wie kaum ein zweites. In diesem Blog wird das Thema KI aus der spannenden Perspektive des Hype-Zyklus nach GARTNER beleuchtet. Wer die Anatomie von Hypes versteht, gewinnt wertvolle Einblicke in die Dynamik und kann dann den Megatrend KI mit seinen Chancen und Risiken besser verstehen und einordnen.
Die letzten beiden Blogbeiträge waren zweifellos harte Kost und es drehte sich viel um die schwierige Einschätzung der zweiten Amtszeit von Donald Trump. Trump regiert aktuell per Dekret und sorgt für viel Unruhe. Neben der Einführung von Zöllen will er u. a. Grönland kaufen, Kanada zum US-Bundesstaat machen und den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenennen. Manche belächeln seine Mischung aus Anarchie, Monarchie und Autokratie. Andere befürchten, dass die Demokratie in den USA auf der Strecke bleibt. Wird Europa geschlossen und selbstbewusst auftreten oder gelingt es Trump, einen Keil in die europäische Gemeinschaft zu treiben und sich in bilaterale Abkommen zu zwängen? Die Zukunft wird wohl erst die Frage beantworten, ob Trumps zweite Amtszeit ein goldenes Börsen-Zeitalter einläutet oder doch als unkalkulierbares Experiment in Erinnerung bleibt. Was auch passiert, mit Finanzwissen ist man dafür gerüstet. Dieser Blog beschäftigt sich daher mit der Vermittlung von nützlichem Basiswissen für Anleger*innen.
Das Hype-Zyklus-Modell
Das Modell beruht auf Beobachtungen des Analyse-Unternehmens GARTNER und versucht den Reifegrad und die Akzeptanz neuer Technologien im Zeitablauf zu beschreiben. Es geht dabei insbesondere um die Relevanz und Akzeptanz neuer Technologien für echte Problemlösungen und die Nutzenstiftung für Kund*innen.
Was KI betrifft, befinden wir uns in der Phase, in der die notwendige Infrastruktur erst noch geschaffen werden muss und noch zahlreiche Anpassungen notwendig sind. Ein bisschen Realismus ist daher notwendig, denn der Weg von der initialen Begeisterung bis zu nutzbaren Lösungen vollzieht sich nicht in wenigen Monaten. Ich denke es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis KI in der breiten Bevölkerung akzeptiert ist und die Produktivitätspotentiale in dafür relevanten Branchen erschlossen sind.
Der Hype-Zyklus nach Gartner unterscheidet dabei fünf Phasen, die neue gehypte Technologien im Zeitverlauf regelmäßig durchlaufen:
Technologischer Auslöser
Gipfel der überzogenen Erwartungen
Tal der Enttäuschungen
Pfad der Erleuchtung
Plateau der Produktivität
Der Phase der Übertreibungen und überzogenen Erwartungen folg der Gipfel der überzogenen Erwartungen (2) und schließlich kommt die Ernüchterung. Die Berichterstattung und Aufmerksamkeit erreicht ihren Höhepunkt und beginnt langsam abzuflachen. Es kommen kritische Stimmen auf, da die Produkte nicht das halten, was sie versprechen. Auf dem Weg zum Tal der Enttäuschungen (3) kommt es zu einer Marktbereinigung, bei der unprofitable Akteure wieder verschwinden.
Nach dem Tal der Enttäuschungen folgt der Pfad der Erleuchtung. Am Pfad der Erleuchtung (4) reift die Erkenntnis, dass die Weiterentwicklung aufwändiger und teurer wird, als sie die meisten in der ersten Euphorie erwartet haben. Die verbliebenen Marktteilnehmer verbessern in der Folge Produkte und Services Schritt für Schritt. Realer Kundennutzen wird wertgeschätzt und die Grenzen der neuen Technologie anerkannt. Mit dem steigenden Kundennutzen der zweiten Produktgeneration steigt auch die Akzeptanz und damit die Verbreitung und Marktdurchdringung. Anstelle von übertriebenen Erwartungen treten auch sukzessiv realistischere Prognosen.
Mit der dritten Produktgeneration wird schließlich das Plateau der Produktivität (5) erreicht. Die Technologie hat nun einen hohen technischen Reifegrad erreicht, und die Geschäftsmodelle der Marktteilnehmer sind wirtschaftlich überwiegend solide. Die Verbreitung und Nutzung der Produkte wächst stetig, aber mit einer flacheren Kurve.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird KI keine Ausnahme sein und den beschriebenen Zyklus durchlaufen. Die Frage ist, wo stehen wir jetzt und ist der Gipfel der überzogenen Erwartungen bereits erreicht oder überschritten?
Die Geburtsstunde des KI Hypes
Mit Blick auf den Gartner-Hype-Zyklus für neue Technologien kann als technologischer Auslöser wohl der KI-Chatbots ChatGPT3 im November 2022 identifiziert werden. Spätestens mit diesem Ereignis wurde KI zum Hype und viel beachteten Megatrend. Die Massenmedien berichteten und die öffentliche Aufmerksamkeit stieg, wie die Erwartungen an die Möglichkeiten der KI gesetzt wurden. Die Aktienkurse von potenziellen Profiteuren stiegen in der Folge spektakulär. Allen voran bei NVIDIA, mit seinem leistungsstarken Halbleiter für KI-Anwendungen. NVIDIA avancierte schnell zu einem der wertvollsten Unternehmen überhaupt. Angesichts der Fallhöhe aufgrund der enormen Kursanstiege versuche ich die Substanz der Euphorie und des Hype einmal genauer zu beleuchten. Die spannende Frage lautet also, ob ein Vergleich mit der Dotcom-Blase gerechtfertigt ist oder ob es substanzielle Unterschiede gibt.
Ich vertrete die Meinung, dass es substanzielle Unterschiede gibt. Der KI-Hype ist im Unterschied zum Dotcom-Hype nicht mehr oder weniger wahllos von zahlreichen unprofitablen Firmen getragen. KI hat mehr wirtschaftliche Substanz und wird von erfolgreichen, hochprofitablen und innovativen Unternehmen wie NVIDIA, Palantir und Co getrieben. Die Bestätigung der Kurssteigerungen der aktuellen Hauptprofiteure durch Unternehmensergebnisse macht einen wesentlichen Unterschied. Nichtsdestotrotz stellt sich nach der langen Boom-Phase zunehmend die Frage der wirtschaftlichen Rechtfertigung und Nachhaltigkeit der Euphorie. Die Einen erwarten sich von den Tech-Riesen den konkreten Nachweis, dass sich die hohen Investitionen in KI auch durch entsprechende Erträge rechtfertigen. Andere wiederum mahnen zur Geduld.
Wer hat nun Recht?
Meiner Meinung nach wird sich die Etablierung von Kl erst im Laufe der kommenden Jahre Schritt für Schritt vollziehen.
In der aktuellen Ausbauphase steht noch die Schaffung der notwendige Infrastruktur im Mittelpunkt, die für den Betrieb von KI-Modellen gebraucht wird, da die Modelle erst einmal trainiert werden müssen, und Produkte der “ersten Generation”. Das ist dann Voraussetzung für die nächste Phase, nämlich dem praktischen Einsatz von KI. Erst dann werden Produktivitätssteigerungen auf breiter Front realisiert werden können und sich wirtschaftlich in hohen Gewinnsteigerungen widerspiegeln.
In der Aufbauphase profitieren demnach zuallererst die Anbieter von Halbleitern, Rechenzentren und Energie. Aber die Hauptprofiteure des Megatrends KI müssen selbstverständlich nicht in jeder Phase dieselben sein. Die Profiteure müssen am Plateau der Produktivität auch nicht auf die Tech-Branche beschränkt bleiben. Von möglichen Produktivitätssteigerungen können zahlreiche Branchen enorm profitieren. Die Pharmaindustrie kann KI beispielsweise wirkungsvoll einsetzen, um die Entwicklung von neuen Medikamenten zu beschleunigen. Der Bereich Cybersicherheit erscheint gleich doppelt aussichtsreich. Durch den Einsatz von KI steigen die Datenmengen und KI hat das Potenzial, die Produkte entscheidend zu verbessern.
Mein Fazit:
Mit Blick auf die schwer nachvollziehbare Reaktion auf die Veröffentlichung der (hervorragenden) NVIDIA-Ergebnisse im August könnte dies ein Indiz dafür sein, dass der „Gipfel der überzogenen Erwartungen" überschritten ist. Dann könnte sich künstliche Intelligenz im Zyklus bereits in Richtung Plateau der Produktivität bewegen. Und wo steht in diesem Spannungsfeld NVIDIA? An dieser Stelle möchte ich auf den interessanten August 2024-Blog mit dem Titel „MarketTalk > Fast alle lieben NVIDIA!“ verweisen.
Die genannten Beispiele machen das enorme Potenzial des Megatrends deutlich. Nach meiner persönlichen Überzeugung ist es noch lange nicht ausgeschöpft. Das Thema KI steht erst am Anfang und wird unser aller Alltag in Zukunft noch nachhaltig prägen.
Das „Gesetz von Amara“
Das vom Wissenschaftler Roy Amara formulierte „Gesetz von Amara“ scheint sich im Fall von KI wieder zu bewahrheiten. Es besagt:
„Wir neigen dazu, die Wirkung einer Technologie auf kurze Sicht zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen.“