Trumpsession
…bezeichnete als Kunstwort bisher den obsessiven Hass der „Crazy Liberals“ auf Trump. Möglich, dass die Allüren Trumps jetzt zu einer Umdeutung und Neuinterpretation des Begriffs führen. Nämlich als Bezeichnung für eine Rezession, ausgelöst durch die politischen Entscheidungen Trumps? Der polternde Donald Trump gibt derzeit tatsächlich politisch die Richtung vor. Er nimmt keine Rücksicht auf Beziehungen zu traditionellen Bündnispartnern oder den demokratischen Institutionen in den USA. Er gefährdet durch seine Entscheidungen auch zunehmend das Vertrauen privater und institutioneller Anleger*innen durch die Provokation eines Handelskrieges und die Erhöhung des Risikos einer Rezession in den USA. Nicht nur Zölle und seine Einwanderungspolitik wirken inflationstreibend und drohen, das bisher robuste Wirtschaftswachstum in den USA einzutrüben und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession zu erhöhen. Auch seine Allmachtsphantasien sorgen auf den Märkten zunehmend für Verunsicherung und für nervöse Reaktionen.
Es ist also wenig verwunderlich, dass das auch an den Börsen Wirkung zeigt. Trump schürt die Ängste und diese Unsicherheit kommt bei den Anleger*innen überhaupt nicht gut an. Die Rotation ist im vollen Gange, und das Geld wechselt seit dem Amtsantritt Trumps die Seiten und wandert weg von den USA in Richtung Europa.
„What ever it takes“ scheint die Devise der deutschen Regierung für den Weg aus der Krise zu lauten
Ganz nach dem Vorbild von Mario Draghi wird geklotzt und nicht gekleckert. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz will alles tun, um die Verteidigung in Europa zu gewährleisten und ist dafür ist er auch bereit, neue Schulden zu machen. Das XXL-Infrastrukturpaket von Union und SPD weckt Hoffnungen und Optimismus der Anleger*innen.
Während sich das Wirtschaftswachstum in den USA eintrübt und eine Rezession wahrscheinlicher geworden ist, holt Europa auf. Allen voran Deutschland und Deutschland ist immerhin die bedeutendste Volkswirtschaft Europas. Somit könnte das Wirtschaftswachstum in der gesamten Eurozone angekurbelt werden. Die Experten von Vanguard rechnen für 2025 mit einem Plus von 1,0 Prozent (zuvor 0,5 Prozent) und für 2026 stellen sie sogar ein Plus von 1,6 Prozent (zuvor 0,8 Prozent) in Aussicht.
So legten die europäischen Märkte, angeführt vom DAX, 2025 deutlich zu. Ganz anders ist die Situation an den US-Börsen. Sie hinken Europa hinterher, und es herrscht großer Abgabedruck. In der Kursentwicklung hat sich 2025 zwischen Europa und den USA ein Gap von gut 20 % aufgetan. Selbst nach dem Auf und Ab der KW 13 liegt der DAX deutlich zweistellig im Plus, auch wenn er die Marke von 23.000 Punkten zuletzt nicht behaupten konnte. Besonders erwischt hat es die NASDAQ mit einem Minus von mehr als 8 %.
Für Auftrieb sorgt natürlich aktuell das milliardenschwere Konjunkturpaket, auf das sich die Politiker von Union, SPD und Grünen verständigt haben. Daher geht es für Rüstungs- und Infrastrukturaktien natürlich derzeit stark nach oben. Aktien wie beispielsweise Rheinmetall oder Heidelberg Materials zählen derzeit zu den Profiteuren. Trump sorgt für Verunsicherung und das Anleger-Geld wechselt schnell die Seiten und wird nach Europa verschoben. Das geht aber auch in die andere Richtung, erfahrungsgemäß wieder genauso schnell.
Ist die Entwicklung 2025 nun ein nachhaltiger Trend oder nicht?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt die goldene Frage und entsprechend schwer ist die Einschätzung. An den Börsen wird die Zukunft gehandelt, und diese ist immer mit Unsicherheit behaftet. Wenn alles für alle klar ist, ist es auch schon gelaufen und man kann an den Börsen nicht mehr davon profitieren. Ich werde deshalb meine persönliche Meinung hier transparent machen und im Detail begründen.
Misst man Trump an seinen Wahlkampfversprechen, ist er jedenfalls in der Ukraine klar gescheitert. Er hatte im Wahlkampf in seinem Allmachtsrausch großspurig angekündigt, den Krieg in einem Tag zu beenden. Nach 2 Monaten ist er wenig überraschend immer noch weit davon entfernt. Auch wenn seine Ukrainepolitik nach dem „historischen“ Telefonat (am 18.3.) zwischen Putin und Trump in den Augen vieler Kommentatoren eine Niederlage und Demütigung für Trump war, hat er immerhin Bewegung in die starren Fronten gebracht. Andererseits hält allem Anschein nach nicht einmal die vereinbarte begrenzte Waffenruhe. Auch der Umstand, dass militärische Strategien in einer Signal-Chatgruppe diskutiert werden, noch dazu unter Beteiligung eines Journalisten, wirft kein gutes Licht auf die Administration Trump. Trump versucht, die Sicherheitslücke herunterzuspielen. Geht es nach Trump, war der Sicherheits-Patzer nur ein "Ausrutscher“ und US-Verteidigungsminister Pete Hegseth spricht von einer Belanglosigkeit und beschimpft den Journalisten, der aus Versehen dem Gruppenchat hinzugefügt worden war.
So wenig einem das gefallen mag und was auch immer Trump treibt, man muss ihm immerhin zugestehen, dass er die Dinge in Bewegung bringt. Sei es nun Ukraine, Nato und Europas Sicherheitspolitik oder wirtschaftspolitische Themen wie Zölle und US-Budget-Politik. Egal, wie man zu Trump steht, für simples Schwarz-Weiß-Denken sind die Themen viel zu ernst, komplex und zu wichtig. Man wird schon genauer hinschauen müssen, um sich abschließend ein belastbares Urteil bilden zu können. Das will ich daher hier tun.
Ob Trump und sein Beraterstab gute Arbeit leisten oder schlechte und ob er ein goldenes Zeitalter einläutet oder das Gegenteil, ist auch eine Frage der Perspektive. Bedauerlich finde ich die undifferenzierte mediale Berichterstattung. Einseitige Berichterstattung bringt in der Sache niemanden weiter. Ob das Ziel "weniger Staat und mehr privat" nun (wie Trump, es nennt) zur Entgiftung oder zu einer Vergiftung führt, wird erst die Zukunft zeigen. Der Beschluss des „Sondervermögen“ in Deutschland wird aktuell gefeiert. Ob die Begriffsschöpfung „Sondervermögen“ für neue Schulden, die in Wahrheit kein Vermögen sind, die erhoffte Wirkung zeigt oder am Ende doch womöglich hauptsächlich die nächsten Generationen belastet, ist auch noch nicht so klar.
Je nachdem, wen man fragt, wird Trumps Politik erfolgreich bis genial beurteilt oder eben als totale Katastrophe. Man findet leider wenig dazwischen. Deshalb ist, wie ich finde, höchste Zeit, für einen sachlichen und faktenbasiert Blog.
Die Zölle
Beispiel Boeing: Sollte die Luftfahrtindustrie tatsächlich von Zöllen belastet werden, sieht Experte Kelly langfristig ein Szenario: Boeing baut die Flugzeuge für US-Airlines und käme damit auf einen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent. Auf Airbus entfiele der Rest der Welt.
Es gibt aber auch Stimmen, die behaupten, Zölle sind nicht gleich Zölle und es gibt wesentliche Unterschiede zwischen den Zöllen in den USA und in Europa.
Betrachten wir also die Positionen zum Thema Zölle unvoreingenommen aus verschiedenen Perspektiven:
Wenn man nun recherchiert, kann man tatsächlich erfahren, dass Trumps Idee, die Einkommensteuer durch Zölle zu ersetzen, weder neu noch völlig absurd ist. Immerhin haben die USA fast ein halbes Jahrhundert (bis zum Ersten Weltkrieg) den zugegebenermaßen damals wesentlich kleineren Staat ausschließlich über Zölle und unter Verzicht auf Einkommensteuern finanziert.
Es macht auch in der Wirkung einen wesentlichen Unterschied, ob die Einführung von Zöllen mit einer gleichzeitigen Entlastung der Einkommen (wie von Trump angekündigt) einhergeht oder nicht. Dann wirken sie nämlich im Ausmaß der Kompensation nicht kaufkraftmindernd und konjunkturbelastend wie zusätzliche Verbrauchssteuern. Eine Einkommensteuerentlastung ist zwar in den USA geplant, nicht jedoch in Europa! In Österreich beispielsweise ist das laut BMF so geregelt: 75 % der Zölle werden an die EU abgeführt und die verbleibenden 25 % werden pauschal zur Deckung der mit der Einhebung der Zölle verbundenen Kosten einbehalten. Mit anderen Worten heißt das nichts anders, als dass 100 % der erhobenen Zölle ohne jede Entlastung der Bürger im Budget verschwinden (in dem der EU oder Österreichs).
US-Geldpolitik und die Zinsentwicklung
Die geldpolitischen Entscheidungen werden schwieriger. Einerseits ist die Unsicherheit durch Trumps Politik für die FED gestiegen und andererseits treibt die aggressive Zollpolitik die Inflation. Im Rahmen der letzten Sitzung der US-Notenbank (FED) im März 2025 wurden die Zinsen in der Spanne von 4,25 und 4,5 Prozent konstant gelassen und der FED-Chef Jérôme Powell nannte in seiner Rede einen durchschnittlichen Erwartungswert von 3,9 % für 2025 und deutete damit für dieses Jahr zwei kleinere Zinssenkungen an. Powell äußerte sich auch unaufgeregt zur Wirtschaftslage und erklärte, dass die Inflationserwartung für 2025 gestiegen sei und folglich wurde die Prognose leicht von 2,5 auf 2,7 Prozent angehoben. Das Ziel bleibe weiter bei 2 Prozent, der Weg dorthin könnte allerdings etwas länger dauern. Die Konjunkturprognose wurde von 2,5 auf 1,7 Prozent gesenkt. Das Risiko einer Rezession sei zwar gestiegen, aber nach wie vor nicht hoch.
In den USA wurde die Entscheidung und die Kommentare von Powell insgesamt positiv aufgenommen, während die europäischen Börsen kaum reagierten.
Die Staatsquoten
Die Staatsquote ist ein Indikator für das Ausmaß der staatlichen Einflussnahme mittels staatlichet Interventionen wie Regulierungen oder Umverteilungsmaßnahmen wie Steuern und Subventionen. Errechnet wird die Staatsquote aus dem Verhältnis von Staatsausgaben, also dem Geld, das der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben (Soziales, Bildung oder Infrastruktur) ausgibt, und der Wirtschaftsleistung seiner Bürger, also dem Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Eine hohe Staatsquote deutet auf eine starke staatliche Einflussnahme hin, während eine niedrige auf eine eher marktwirtschaftliche Ordnung hindeutet.
Nicht nur die Wirkung der Zölle, sondern auch ein Vergleich der gerundeten Staatsquoten spricht für die USA. Das kann einem gefallen oder nicht, jedoch zumindest für mich spricht beides strategisch deutlich für die USA und gegen Europa.
In den USA liegt die Staatsquote unter 40 % und die Tendenz unter Trump ist weiter sinkend und wird begleitet von Deregulierungen. Um das Ziel „weniger Staat und mehr privat“ umzusetzen, hat Trump eine eigene Behörde eingesetzt (DOGE - Department Of Government Efficiency).
Die Staatsquote in Europa liegt aktuell schon deutlich darüber und die Tendenz ist eher steigend! Man darf nicht unerwähnt lassen, dass man sich auch in Europa Deregulierungen vorgenommen hat. Man darf gespannt sein, ob bzw. in welchem Umfang sie tatsächlich umgesetzt werden.
Staatsquote Österreichs: 53 %
Staatsquote Deutschlands: 49 %
Die Staatsquote Frankreichs beträgt gar 58 %
Anmerkung: Das schafft langfristig eher die volkswirtschaftlichen Voraussetzungen für eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Outperformance der US amerikanischen Aktien! Meine Befürchtung ist, dass Europa eher teuer ist und das aktuelle Performance-Gap strategisch betrachtet wohl nicht zu rechtfertigen ist.
Mein Fazit:
Ich habe auch keine Glaskugel, aber ich habe natürlich eine persönliche Meinung, die ich hier gerne mit allen Leser*innen teile. Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit. Was viele scheuen, halte ich für besonders wichtig. Ich begründe klar, auf welchen Annahmen meine Position beruht. Natürlich kann ich mich irren und die Annahmen können falsch sein. Wichtig für die nachträgliche Überprüfbarkeit sind Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Wichtig ist auch zu zeigen, wie man sich in Zeiten großer Unsicherheiten eine belastbare Meinung bilden kann. Das ist wichtig, um im entscheidenden Moment gut vorbereitet zu sein und so die oft beschworene Nasenlänge Vorsprung zu haben.
Kommt nun der große Crash?
Das Crash-Risiko halte ich persönlich aktuell für gering. Wir sehen die erwartbare Normalisierung nach zwei extremen Jahren. Die Bewertungen sind insbesondere bei Technologiewerten hoch, das Kursniveau ist aber auch durch Ergebnisse recht gut abgesichert. Die heftigen Schwankungen werden uns in dieser Phase aber wohl noch länger begleiten. Es wird entscheidend sein, einen kühlen Kopf zu bewahren und überlegt zu agieren. Weder Gier noch Panik sind dabei hilfreich, wenn es darum geht, Chancen zu nutzen.
Ob es einem jetzt gefällt oder nicht, zumindest für mich sprechen sowohl die Zölle als auch der Vergleich der Staatsquote strategisch deutlich für die USA und gegen Europa.
Diversifikation ist das Gebot der Stunde
Wie stehen also die Chancen für eine Fortsetzung der Erholung in Europas gegenüber den USA oder handelt es sich nur um eine Übergangsphase? Ich denke, es wird einen wesentlichen Unterschied machen, ob man taktisch oder strategisch investiert. Wie auch immer es kommen mag: Diversifikation ist das Gebot der Stunde! Und ein Liquiditätspolster verfügbar zu haben, um bei starken Kursausschlägen günstig investieren zu können (und es auch wohlüberlegt tatsächlich zu tun), ist in Zeiten großer Unsicherheit immer wichtig.
Die Börsenentwicklung im ersten Quartal 2025 lehrt wieder, wie wichtig beides für die Stabilisierung der Performance sein kann. Lieber auf ein bisschen Rendite verzichten und gut schlafen.
Taktische Betrachtung:
Kurzfristig werden die europäischen Börsen durch Kapitalzuflüsse gestärkt. Besonders in Deutschland wird die Wahl und die neue Regierung als Befreiung vom Stillstand empfunden. Auch das enorme Investitionspaket befeuert aktuell die Märkte und zieht viel Kapital an.
Strategische Betrachtung:
Strategisch gibt es eine gute Chance, dass die Politik Trumps für die USA Früchte trägt.
Ich bin immer noch der Überzeugung, dass mittel- und langfristig der Sparkurs Trumps auch Früchte tragen wird. Die Anstrengungen zur Reduktion des US-Budgetdefizits und der Staatsquote könnten sich tatsächlich bezahlt machen. Es gibt zumindest eine gute Wahrscheinlichkeit, dass den USA gelingt, verlorenes Terrain wiedergutzumachen. Dann nämlich, wenn die notwendige Budgetsanierung und die Entlastungen und die angekündigten Investitionen und Bestrebungen hinsichtlich KI und Infrastruktur erste Wirkungen zeigen. Der Abstand zwischen den USA und Europa könnte sich dann nicht nur schnell wieder zu Lasten Europas verschieben, sondern möglicherweise sogar über das alte Niveau hinaus vergrößern.
Interessante vertiefende Links
Am Markt regiert die Emotion. Angst macht sich breit, nicht nur unter Anhängern der Demokraten, sondern auch unter Republikanern. Alle sind vom Zickzack-Kurs Trumps betroffen. Der CNN Fear & Greed-Index versucht, diese Frage für den US-Markt zu beantworten.