Market.Talk … über die jüngste Bankenkrise
Das Fazit vorweg:
Das Bankgeschäft lebt vom Vertrauen der Kunden und der Qualität der Bankenaufsicht
Die jüngst neu aufgeflammte Bankenkrise verdeutlicht eine Dynamik, vor der auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), warnt. Focus Online zitiert ihn am 25.3.2023 wie folgt: „Weil Banken vom Vertrauen ihrer Kunden abhängen, könnten fast aus dem Nichts jederzeit weitere Banken unter Druck geraten.” Von der Politik fordert er Maßnahmen, um dieses überlebenswichtige Vertrauen zu stärken, und kritisiert die Schweizer Behörden wegen ihres Vorgehens bei der Credit Suisse.
Die Gefahr für das europäische Finanzsystem ist auch nach der Credit-Suisse-Rettung nicht vollständig gebannt. Hüther sieht im Herdentrieb der Sparer ein kaum kontrollierbares Bank-Run-Risiko. Die Politik und Bankenaufsicht sind dringend gefordert weitere Maßnahmen zu ergreifen, um Bankkunden zu beruhigen und zu schützen.
Die jüngste Krise macht deutlich, dass die Regulierung immer noch Lücken hat.
Man kann von Bankkund*innen nicht erwarten, dass sie Bilanzanalysten sind. Es ist die Aufgabe von Regierungen und Aufsichtsbehörden, die Solidität des Bankensystems sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass Banken, die Spareinlagen annehmen dürfen, auch sicher sind.
Verbraucher müssen doch auch kein(e) Mechaniker*innen sein, um ein Auto sicher fahren zu können. Zulassungsbehörden und Hersteller sind in diesem Fall selbstverständlich dazu angehalten, Mindest-Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Dieser Anspruch sollte wohl auch für den Verkauf von Sparprodukten berechtigt sein.
Die Bankenkrise bleibt bis auf weiteres bedrohlich und die Märkte erwartungsgemäß entsprechend nervös und volatil.
Die Börsen haben sich nach der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS zunächst wieder etwas erholt. Jedoch herrscht in der Branche weiter Krisenstimmung. In den USA ist mit der First Republic eine weitere Regionalbank in Schwierigkeiten – trotz Hilfsaktion der größten US-Banken.
Im DAX brachen die Kurse von Commerzbank und Deutsche Bank am 24.3. prozentual zweistellig ein. Bundeskanzler Olaf Scholz betont auf einer Pressekonferenz nach einem EU-Gipfel in Brüssel, dass der jüngste Kurseinbruch kein Grund zur Sorge sei: "Die Deutsche Bank hat ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert und neu organisiert und ist eine sehr profitable Bank".
Eine Chronologie der bisherigen Ereignisse zum Nachlesen …
13.3.2023: Der Ausgangspunkt der Krise war der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB)
Der Freitag, 13. März 2023, weckte bei manchen Erinnerungen an den 15. September 2008, als die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers - eine der größten Investmentbanken der Welt - die Finanzkrise auslöste. Denn an diesem Freitag musste die Silicon Valley Bank (SVB) von der Einlagensicherung unter Zwangsverwaltung gestellt werden und wurde verstaatlicht.
Zwar handelt es sich um die größte Bankenpleite seit 2008. Trotzdem ist die amerikanische Regionalbank SVB nicht mit der international eng geschäftlich verwobenen Investmentbank Lehman Bros. vergleichbar. Die Angst gilt also dem Ansteckungsrisiko. Denn erst wenige Tage davor ging der Zwangsverwaltung der SVB der Zusammenbruch der im Kryptohandel exponierten Silvergate Bank voraus. Am Wochenende schlossen die Behörden dann auch noch die New Yorker Signature Bank. Diese Entwicklung führte an den globalen Börsen zu Panik, insbesondere Bank-Aktien crashten regelrecht. Die Märkte fürchteten eine Ansteckung der Finanzbranche auch in Europa. Zurecht?
Ursachenforschung bei der Silicon Valley Bank (SVB)
Die SVB war keine klassische Bank mit normalen Kleinsparern. Sie war als Regionalbank spezialisiert auf die Finanzierung von Start-ups und Wagniskapitalgebern. Häufig waren das Kunden, die von andere Banken wegen des erhöhten Risikos abgelehnt wurden.
Die Zinserhöhungen der US-Notenbank zur Inflationsbekämpfung haben die Finanzierung für viele dieser Start-ups stark verteuert und den wirtschaftlichen Druck erhöht. Viele zogen ihre Einlagen bei der SVB ab, da sie das Geld anderweitig benötigten. Die Liquiditätsabflüsse setzten bei der SNB eine klassische Kettenreaktion in Gang, die ihr schließlich das Genick brach:
Die für die SNB offensichtlich unerwartet hohen Abflüsse führten zu Liquiditätsengpässen.
Die SVB war in der Folge gezwungen, US-Staatsanleihen zu verkaufen, um aus den Erlösen fehlende Liquidität zu generieren.
Dabei wurden beträchtliche Verlust realisierte, da die vor Jahren erworbenen US-Staatsanleihen durch den Zinsanstieg im Kurs gesunken waren.
Die realisierten Verluste belasteten wiederum die Eigenkapitalbasis.
Als die SVB dies durch eine Kapitalerhöhung ausgleichen wollte, scheiterte sie.
Das führte erst recht zum Vertrauensverlust bei den Investoren und zu massiven Kursverlusten, die schließlich rasche Rettungsmaßnahmen der US-Regierung notwendig machten, um einen Bank Run und einen Dominoeffekt durch Ansteckungsrisiken zu verhindern.
Die Situation führte zum Wiederaufflammen einer weltweiten Bankenkrise.
Exkurs zum besseren Verständnis der Zusammenhänge:
Ein Teil der von Banken gehaltenen Anleihen muß zum Marktwert bilanziert werden. Hier müssen Verluste ausgewiesen werden und reduzieren das Eigenkapital. Ein anderer Teil wird bis zur Endfälligkeit gehalten. Dort aufgelaufene Verluste müssen nicht ausgewiesen werden, wenn die Bonität und damit die vollständige Tilgung am Laufzeitende nicht infragegestellt ist - was auf US-Staatsanleihen zutrifft. Solange die Banken nicht aus Liquiditätsgründen zu einem vorzeitigen Verkauf gezwungen sind, sind zwischenzeitliche Buchverluste aufgrund steigender Zinsen kein größeres Problem.
17.3.2023 Die Krise vertieft sich und weitet sich aus …
Notfallrettung der Credit Suisse
Der Notfallrettung vorausgegangen war ein das ganze Wochenende dauernder Verhandlungsmarathon, an dem die Beteiligten der beiden Banken sowie Spitzenvertreter von Politik und Aufsichtsbehörden teilgenommen hatten.
Die Krise der Credit Suisse (CS) war ein enormes Systemrisiko. Die CS ist nämlich eine wirklich große Bank - nicht nur im Schweizer Kontext, wo sie nach der UBS das zweitgrößte Bankinstitut war/ist. Sie war/ist auch im internationalen Kontext weltweit eng mit anderen Banken geschäftlich verflochten. Aus diesem Grund war/ist sie auch als eine der 30 systemrelevanten Banken der Welt eingestuft, denn im Falle einer Pleite bestehen maßgebliche Ansteckungsrisiken.
Ursachenforschung bei der Credit Suisse
Die altehrwürdige Bank, Jahrgang 1856, hatte sich bereits in den vergangenen Jahren durch das Bekanntwerden von augenscheinlichen Managementfehlern und Risikogeschäften selbst ins Abseits manövriert:
Da war zwischen 2004 bis 2007 laut Staatsanwaltschaft die Abwicklung von Geldwäschetransaktionen für die bulgarische Mafia.
Dann verschwanden 2013 in Mosambik Millionen im Rahmen von fragwürdige Kreditgeschäfte einer britischen Tochtergesellschaft der CS.
2016 und 2019 wurde eine Bespitzelungsaffäre öffentlich.
Beim Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und der Greensill-Fonds verlor die CS Milliarden.
Das dieserart ramponierte Image führte zu Vertrauensverlusten. Die Vertrauenskrise löste wiederum eine Abwärtsspirale aus, die der Credit Suisse schließlich zum Verhängnis wurde. Kunden zogen massenhaft Einlagen ab. Die starken Einlagenabflüsse schwächten die Bank zunehmend. Schließlich besiegelte der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und die aufkommende Angst vor einer neuen weltweiten Bankenkrise wohl endgültig das Schicksal der Credit Suisse und mündete am 19.3.2023 in der Übernahme durch die UBS.
UBS übernimmt CS um 3 Mrd. Euro
Am Sonntagabend (19.3.2023) ist schließlich klar, dass die tief in die Krise geschlitterte Credit Suisse (CS) von der größten Bank der Schweiz - der UBS - um drei Milliarden Franken (drei Mrd. Euro) übernommen wird, obwohl deren Management vorher stets die finanziell solide Basis der Bank betonte. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die am Wochenende durchgeboxte Notfallrettung zudem mit umfangreichen Liquiditätshilfen und gewährt den Banken ein Darlehen von bis zu 100 Milliarden Franken. Zudem gewährt die SNB der Credit Suisse zusätzlich ein mit einer Ausfallgarantie des Bundes gesichertes Liquiditätshilfe-Darlehen von weiteren 100 Milliarden Franken. Die Schweizer Regierung unterstützt die Notfallrettung durch die UBS zudem mit einer Garantie von 9 Milliarden Franken.
Zur Einordnung: Einst war die Schweizer Großbank mit 100 Milliarden bewertet. Am vergangenen Freitag vor der Übernahme/Rettung war die CS an der Börse nur mehr rund acht Mrd. Franken wert.
Die Übernahme der CS durch die UBS ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Mit der Übernahme entsteht eine Mammutbank mit einer Bilanzsumme von mehr als 1,5 Billionen Franken (Daten Stand Ende 2022). Damit wird das neue Schweizer Finanzinstitut größer sein als die Deutsche Bank (Bilanzsumme 1,3 Billionen Euro)
Ist das der Beginn einer neue Bankenkrise?
Die derzeitige Situation ist zweifellos bedrohlich, unterscheidet sich jedoch deutlich von der Finanzkrise 2008. Der Experte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) wird im FocusOnline am 25.3. mit folgender Feststellung zitiert: „Damals trafen unerprobte Finanzinstrumente auf nicht regulierte Institute und verschleierte Risiken. Totalausfälle bei Krediten gefährdeten ganze Banken. Einige Anleger zogen ihr Geld von allen Banken ab, der gefürchtete Bank-Run drohte das Finanzsystem einstürzen zu lassen.“
Sowohl Regierungen als auch Aufsichtsbehörden haben jedoch aus der Finanzkrise 2008 ihre Lehren gezogen. Die aktuell Krise zeigt aber auch, dass die Regulierung immer noch Lücken hat, die es zu schließen gilt. Auch diese Krise wird weiter zur Schärfung des Problembewusstseins und zur Verbesserung des Systems beitragen. Heute gibt es dank strengerer Regulierung bereits eine deutlich bessere Kapital- und Liquiditätsaustattung als 2008. Zudem existieren heute für den Notfall erprobte Rettungsinstrumente und Verfahren. Der Gouverneur der Französischen Notenbank beruhigte daher, indem er die Solidität des Europäische Bankensystems attestierte und die Tatsache hervorhob, dass es heute im Krisenfall Instrumente gibt, die die Liquidität der Banken sicherstellen können. Er hält im BFM business radio am Freitag dem 17.3. zudem fest: „… European banks are not in the same situation as their US partners“.
Die US-Einlagensicherung reagierte in der Krise schnell und garantierte alle Einlagen bei der SVB und auch der Signature Bank sogar über die normale Sicherungsgrenze von 250.000 Dollar hinaus. Damit konnten weitere Bank Runs bisher verhindert werden. Anleger hatten sich Sorgen über die starke Konzentration der Einlagen und Kredite auch bei anderen regionalen Geldhäusern gemacht. Das hatte einen Ausverkauf auch bei Aktien anderer US-Regionalbanken (wie der First Republic oder auch der Western Alliance Bank) zur Folge. Bald wurde bekannt, dass die amerikanische Regionalbank First Republic angesichts von Liquiditätssorgen und heftigen Kursverlusten an der Börse eine milliardenschwere Finanzspritze von den größten US-Geldhäusern erhält. Der Ausverkauf konnte damit vorerst gestoppt werden.
Das systematische Problem: Auch diese Banken investierten beträchtliche Teile ihrer Überliquidität in Staatsanleihen. Auch diese sitzen jetzt nach der Zinswende auf hohen unrealisierten Verlusten im Anlagevermögen.
Um derartige Situationen zu verhindern, wurde nach der letzten Finanzkrise die Mindestliquiditätsquote für Großbanken eingeführt. Sie müssen nachweisen, dass sie 30 Tage lang die in diesem Zeitraum fälligen Einlagen auszahlen können. Die Lücke: Als Regionalbank unterlag die SVB dieser Regulierung nicht. Der für ihre Liquiditätsreserve offensichtlich zu hohe Einlagenbestand wurde der SVB beim Abzug erheblicher Teile dieser Einlagen dann auch zum Verhängnis. Der ausgelöste Liquiditätsbedarf konnte wohl nur noch durch den Verkauf der Staatsanleihen trotz Verlustrealisierung gedeckt werden.
Ein von der FED neue geschaffenes Liquiditätsprogramm soll zukünftig solchen Regionalbanken bei Liquiditätsproblemen helfen. Banken können für ein Jahr Kredite der Notenbank erhalten, wenn sie Sicherheiten wie Staatsanleihen hinterlegen. Damit können sich Banken Liquidität besorgen, ohne durch Verkäufe zur Realisierung von Buchverlusten gezwungen zu sein, die in der Folge wiederum die Eigenkapital-Basis gefährlich schwächen. Es bleibt zu hoffen, dass durch die schnelle Reaktion der US-Behörden das Vertrauen wiederhergestellt und das Risiko eines Dominoeffekts entscheidend gemindert werden kann.
Die Märkte bleiben nervös
Trotz der Bemühungen der US-Regierung, die Lage nach dem Zusammenbruch des Start-up-Finanzierers Silicon Valley Bank zu entspannen. Nach dem immerhin der größte Kollaps eines US-Geldhauses seit der Finanzkrise 2008 will die Finanzwelt bisher nicht nachhaltig zur Ruhe kommen.
Im nächsten Blog erzähle ich mehr darüber.