Market.Talk … die Märkte bleiben nervös

Trotz der Bemühungen der US-Regierung, die Lage nach dem Zusammenbruch des Start-up-Finanzierers Silicon Valley Bank zu entspannen. Nach dem immerhin der größte Kollaps eines US-Geldhauses seit der Finanzkrise 2008 will die Finanzwelt bisher nicht nachhaltig zur Ruhe kommen.

Widersprüchliche Signale

Möglicherweise trägt auch die unabgestimmte Krisenommunikation durch die US-Notenbank (Jerome Powell) und dem US-Finanzministerium (Janet Yellen) dazu bei. Jedenfalls wäre eine bessere Koordination und Abstimmung mit Sicherheit hilfreich. Während Powell am Mittwoch (22.3.2023) beispielsweise versicherte, dass trotz der Bankenkrise alle Spareinlagen in den USA sicher seien, erteilte die US-Finanzministerin Yellen kurze Zeit später einer "Pauschalversicherung" für US-Bankeinlagen ohne Zustimmung des Kongresses ausdrücklich eine klare Absage. Die widersprüchliche Kommunikation trug nicht zur Beruhigung der Lage oder zur Verbesserung der Stimmung bei.

Dir Märkte in Europa und den USA suchen noch ihre Richtung

Am Mittwoch 15.3.2023 setzte in Europa ausgelöst durch die Krise der Credit Suisse erneut ein heftiger Ausverkauf ein. Die Credit Suisse hatte schon länger mit massiven Einlagenabflüssen zu kämpfen. Der Großaktionär Saudi National Bank schockte den Markt schließlich mit der Bekanntgabe, weitere Unterstützungsmaßnahmen kategorisch auszuschließen. Die Meldung sorgte für neue Turbulenzen. Die Lage bleibt durch die CS kompliziert und die Unsicherheit leider hoch. Wir werden weiter verfolgen, ob nach den jüngsten Milliarden-Stützungspaket (der Schweizer Nationalbank) für die Credit Suisse im Bankensektor wieder Ruhe einkehrt. Die Europäische Zentralbank ( zB Gouverneur Villeroy in einem Interview im BFM business radio) betont, dass die Situation in Europa nicht mit den USA zu vergleichen ist und die Situation stabil sei, da Europa Instrumente implementiert hat, um die Liquidität der Banken zu sichern. Der deutsche Bundeskanzler Scholz betonte laut einer am Donnerstag im "Handelsblatt" veröffentlichten Meldung die Einlagen seien sicher:

"Die Gefahr sehe ich nicht. Das Geldsystem ist nicht mehr so fragil wie vor der Finanzkrise. Wir leben in einer völlig anderen Zeit.

Am Donnerstag (16.3.2023) betonte auch die US Finanzministerin Janet Yellen bei einer Kongressanhörung in Washington erneut, dass das Bankensystem stabil und sicher bleibe und kein Grund zur Sorge um Einlagen bestehe.

Die Börsen haben sich zunächst am 21.3. wieder etwas erholt. Jedoch herrscht in der Branche weiter Krisenstimmung. In den USA ist mit der First Republic eine weitere Regionalbank in Schwierigkeiten – trotz Hilfsaktion der größten US-Banken. 

Schon am 24.3. brachen im DAX die Kurse von Commerzbank und Deutsche Bank prozentual zweistellig ein. Bundeskanzler Olaf Scholz betont umgehend auf einer Pressekonferenz nach einem EU-Gipfel in Brüssel, dass der jüngste Kurseinbruch kein Grund zur Sorge sei: "Die Deutsche Bank hat ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert und neu organisiert und ist eine sehr profitable Bank".

Ob „die Märkte“ sich dadurch beruhigen lassen, bleibt offen. Krisen und Unsicherheit gehören heute in unserer schnelllebigen Welt zum Tagesgeschäft. Mit Unsicherheit muss man als Anleger*in also leben lernen. Wir haben alle keine Glaskugel. Lass uns lieber darüber reden wie man mit Unsicherheit umgehen kann und sie sogar als Chance verstehen und nutzen kann.

Exkurs

Weil es perfekt in die aktuelle Zeit passt, machen wir an dieser Stelle ein spannenden fachlichen Ausflug. Keine Sorge, es wird nicht langweilig, das verspreche ich. Zwar beschäftigen wir uns kurz mit Verhaltenspsychologie und Kognitionswissenschaft. Ich verspreche aber, es verständlich zu erklären und anhand aktueller Erlebnisse sehr greifbar zu machen. Möglicherweise erkennst du sogar eigene Verhaltensmuster wieder. Das ist dann schon der erste Schritt zur Stärkung deiner Urteilskraft und ein Schlüssel zum Anlageerfolg.

Der Herdentrieb an den Börsen - ein massenpsychologisches Phänomen

Zunächst ist das Phänomen ganz nüchtern betrachtet als kursbestimmender Faktor von Relevanz. Besonders in unsicheren Zeiten mit fehlenden Bezugsgrößen suchen wir verzweifelt nach Orientierung. Eine Möglichkeit ist Beobachtung der Reaktion „der Masse“. Dieser Instinkt ist tief in uns verankert. Und Anlageentscheidungen betreffen immer die Zukunft und sind daher naturgemäß Entscheidungen unter Unsicherheit. Das ist die Quelle des Phänomens Herdentrieb. Ihn bei Entscheidungen zu ignorieren wäre also genauso falsch, wie der Herde stets blind zu folgen.

Ein paar aktuelle Beispiele machen das Phänomen noch greifbarer …

Bankaktien: 

Zuerst wurden die steigenden Zinsen als Segen empfunden. Sie ließen die Ertrags-/Margenaussichten der Banken in einem ganz neuen Licht erscheinen. Die Ergebnisberichte bestätigten auch die wieder sprudelnden Gewinne. Die Herde setzte sich in Bewegung. Bankaktien führten in der Folge auf breiter Front die Gewinnerlisten in den Indizes an. Dann kam, wie aus heiterem Himmel, die Pleite der Silicon Valley Bank … Schockstarre!

Plötzlich waren steigende Zinsen ein Fluch. Schließlich zwangen sie die SVB dazu wegen der gestiegenen Zinsen Anleihen mit Verlust zu verkaufen. „Der Markt“ fürchtete noch mehr schlummernde Verluste in den Anleihenportfolios der Banken. Ein Dominoeffekt entstand, weil Anleger nun in Panik undifferenziert Bankaktien verkauften. Ob nun rational in dieser Undifferenziertheit berechtigt oder nicht. Egal, es ist alleine die selbsterfüllende Prophezeiung, die zu beachten ist und Realitäten schafft. Die Herde setzt sich wieder in die andere Richtung in Bewegung und belastet den Markt. Das liefert gleichzeitig eine Bestätigung für die Reaktion der Herde und eine Einladung für die Schnäppchenjäger? Es gibt keine absolute Wahrheit - der Blickwinkel bestimmt die Perspektive …

Technologieaktien: 

Nach Einschätzung der „Herde der Anleger“ sind steigende Zinsen einfach schlecht für Technologieunternehmen, da sie die Finanzierung des Wachstums verteuern. Das ist anscheinend so pauschal in den Köpfen der Anleger verankert. Anders sind die Kursbewegungen kaum zu erklären. Dabei sind  auch Technologieunternehmen bei weitem differenzierter zu beurteilen: 

  • Da gibt es zweifellos den Typus des jungen Start-ups, dessen Börsenwert sich primär auf den Wachstumphantasien der Investoren stützt. Wenn die Finanzierung des Wachstum durch Kredite aufgrund steigender Zinsen wesentlich teurer wird, geht das nun mal zu Lasten der Ertragserwartungen. Die schlechte Nachricht für Sparer wäre eine gute für die, durch die steigenden Zinsen unter Druck geratenen Technologieaktien. Sie könnten von einer, durch die Bankenkrise vorzeitig gebremsten Zinspolitik der Notenbanken profitieren. Die Herde könnte sich wieder in Bewegung setzten und steigende Aktienkurse auf breiter Front wären keine Überraschung.

  • Dann gibt es aber auch den Typus des etablierten Tech-Players, der dank sprudelnder und nahezu unversteuerter Gewinne der Vergangenheit auf hohen Cash-Reserven sitzt. Diese Technologieunternehmen finanzieren ihr Wachstum problemlos aus dem eigenen Cashflow und profitieren möglicherweise sogar von höheren Zinsen aus der Cashveranlagung im Finanzergebnis.

Eine Warnung an alle Marktgläubigen aus vielen Jahren Erfahrung als krisenerprobter Riskmanager: „Der Markt“ hat nicht immer Recht. Undiferrenzierte Käufe oder Verkäufe können zumindest kurz- und mittelfristig zu erheblichen Preisverzerrungen führen, mit allen damit verbundenen Chancen und Risiken. Wie gesagt: Es gibt keine absolute Wahrheit - der Blickwinkel bestimmt die Perspektive …

Die aktuellen Beispiele machen deutlich, wie der Herdentrieb grundsätzlich tickt. Typischerweise ist das massenpsychologische Phänomen mit Marktbewegungen verbunden, die nicht selten auf irrationalen und oft auf zu undifferenzierten Entscheidungsgrundlagen basieren. Kauf- und Verkaufsentscheidungen sind primär emotional motiviert. Die Herde neigt dazu, sich in solchen Situationen mit einfachen Halbwahrheiten zufrieden zu geben. Diese unbewussten Verhaltensmuster haben mich in meinem Beruf als Risk Officer intensiv beschäftigt. Sie betreffen professionelle Anleger*innen und Privatanler*innen gleichermaßen. Ich kann nur warnen: Angst und Gier sind sehr schlechte Berater.

Der Herdentrieb existiert. Das ist ein Fakt. Können wir ihn uns zu nutze machen und davon profitieren?

Ja, können wir! Eine wichtige Voraussetzung ist, Herdenbewegungen als solche zu erkennen. Dazu braucht es einen nüchternen und distanzierten Blick auf die Dinge. Um sich aber von Angst und Gier nicht anstecken zu lassen, ist es notwendig, seine Emotionen zu kontrollieren und seine Entscheidungen zu rationalisieren. Das ist manchmal nicht einfach. Man kann das aber tatsächlich lernen und gezielt üben. Dazu gibt es hilfreiche Tools und Verhaltensregeln, um die instinktive Neigung zu emotionalem Aktionismus einzudämmen. Du ersparst dir damit teure Fehler, die du später bitter bereust. Wie das gelingt, bekommt du bei finconaut erklärt. Wichtig ist es, Entscheidungen stets bewusst zu treffen und nicht „spontan“ aus einer „Laune“ heraus.

Achtung:  Hier werden schon erste Erfolgsgeheimnisse verraten!

Wenn man also die Herdenbewegungen einmal als solche bewusst wahrnimmt, zahlt es sich manchmal durchaus aus, bewusst mit dem Strom zu schwimmen - wie Trendfolge-Investoren eindrucksvoll beweisen. Man profitiert umso mehr, wenn man einen entstehenden Trend frühzeitig erkennt und darauf sensibilisiert ist, wenn der Trend nachhaltig bricht. Am Anfang versäumt man immer etwas und am Ende verliert man immer etwas. Das ist ganz normal. Du profitierst alleine vom „Mittelteil“. Dessen muß du dir bei der Trendfolge von Anfang an bewusst sein. „The trend is your friend“ lautet hier das Motto. Vorausgesetzt er ist für eine Zeit stabil genug. Ich persönlich setze weniger auf „Mikro-Trends“. Ich bevorzuge langfristig stabile Megatrends die von Faktoren wie Klimawandel, demographischer Entwicklung oder beispielsweise Digitalisierung befeuert werden. Solche Trends erzeugen in bestimmten Branchen eine Sonderkonjunktur, die vom allgemeinen Wirtschaftswachstum relativ unabhängig ist. Damit kann man Risiken verringern, Renditen stabilisieren und die Erfolgswahrscheinlichkeit auf seine Seite ziehen.

Manchmal zahlt es sich aber auch aus, bewusst gegen den Strom zu schwimmen - wie wiederum Value-Investoren wie beispielsweise Warren Buffet eindrucksvoll unter Beweis stellen. Wer also differenziert auf den Markt blickt und eine klare Meinung hat, kann langfristig strategisch durch antizyklische Investition enorm profitieren. Über Jahrzehnte erfolgreiche Investoren wie Buffet beweisen auch, dass man bei Entscheidungen unter Unsicherheit einfach nicht immer richtig liegen muss. Das ist sowieso eine unerfüllbarer Anspruch und wäre reine Glückssache. Es reicht für nachhaltigen Erfolg völlig, die Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite zu haben. Der Anspruch sollte sein, möglichst öfter richtig zu liegen als falsch und falsche Entscheidungen rasch zu erkennen („fail fast and small“ lautet das Motto). Dazu ist es wichtig, sich Fehler selbst einzugestehen und nicht nur nach Bestätigung zu suchen, wieso man recht hatte, sondern neue Informationen ganz ergebnisoffen zu verarbeiten. Mit einem solchen Mindset gelingt es sogar den Markt zu schlagen, ohne höhere Risiken einzugehen. Das Erfolgsgeheimnis lautet also Disziplin & Konsequenz und nicht Glück & Zufall. Das kann noch optimiert werden, indem man situationsabhängig Trendfolge- und Valuestrategien flexibel einsetzt oder kombiniert. Und ich betone: Das kann jede/r lernen. Dazu muss man weder ein Finanzgenie sein, noch ist man auf Glück oder Zufall angewiesen. Was man braucht ist die Disziplin und Konsequenz, um sich an Verhaltensregeln und Prinzipien auch zu halten. Daran werden wir gemeinsam arbeiten. Das Ziel ist, die „Community der finconauten“ für die erfolgskritischen Dinge zu sensibilisieren und auch beim Erlernen und Trainieren der notwendigen Kompetenzen zu unterstützen.  finconaut ist mit seinen Services angetreten, um durch wirksame  Hilfe zur Selbsthilfe deine Urteilsfähigkeit bei Anlageentscheidungen so zu stärken, dass du in Zukunft eigenverantwortlich erfolgreicher sein kannst.

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Market.Talk … Banken bleiben im Fokus der Aufmerksamkeit

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Market.Talk … über die jüngste Bankenkrise