Market talk - Fast alle lieben NVIDIA

Bekannt wurde NVIDIA mit seinen GeForce Grafikkarten für Gamer. Für PC-Gamer und -Entwickler ist die NVIDIA-App zu einem unverzichtbaren Tool geworden.

Zudem ist NVIDIA mit NVIDIA DRIVE mittlerweile auch ein innovativer Zulieferer für die Autoindustrie (z. B. autonomes Fahren).

In der jüngsten Vergangenheit ist es NVIDIA jedoch gelungen, sich als führender Anbieter von leistungsstarken KI-GPU-Kernen für Hochleistungsrechner zu etabliert. KI-GPUs sind spezialisierte Grafikverarbeitungseinheiten (GPUs = Graphics Processing Units), die für die intensiven Berechnungen ausgelegt sind, die für KI-Anwendungen und maschinelles Lernen von großer Bedeutung sind (beispielsweise das Training von KI-Sprachmodellen). NVIDIA rüstet zusätzlich Rechenzentren aus und stellt dezentrale Rechenzentren für KI-Anwendungen zur Verfügung.

Weitere erfolgreiche NVIDIA-Produkte sind Software und Plattformen für KI-Anwendungen wie CUDA und OMNIVERSE. NVIDIA OMNIVERSE ist eine Plattform für die Zusammenarbeit im 3D-Design, um Workflows zu beschleunigen. Das soll dabei unterstützen Ideen (z. B. Projekte in der Bauwirtschaft) schnell und kostengünstiger umzusetzen.

Für die Börse war NVIDIA auf jeden Fall bis zuletzt aufgrund der wachsenden Chip-Nachfrage der Hauptprofiteur des KI-Booms und der steigenden Ausgaben der mächtigen Technologie-Konzerne. NVIDIA konnte sogar die Bewertung von Apple und Microsoft übertreffen. Aber: die zuletzt veröffentlichten Q2-Zahlen waren stark, aber anscheinend nicht stark genug! Trotz hervorragender Umsatzzahlen reagierte der Markt auf die Veröffentlichung mit einem Kursrückgang von kurzfristig bis zu 13%.

Nach den Geschäftszahlen scheint nicht nur bei NVIDIA die Luft raus zu sein. Das negative Sentiment betrifft vorerst nicht nur den KI-Chip-Marktführer, sondern anscheinend die Chip-Branche insgesamt. Nach kurzer Verschnaufpause starteten Chip-Werte mehrheitlich negativ in den September. Das gilt für europäische Player wie Infineon oder ASML genauso wie für amerikanische Titel wie Intel, AMD oder NVIDIA und auch die taiwanesischen Big Player TSMC. Sinkende Kurse auf breiter Front … was steckt dahinter?

Die Rolle der Saisonalität

Vielleicht ist es die Ernüchterung nach überzogenen KI-Erwartungen, vielleicht liegt es nur an NVIDIA oder vielleicht wird auch einfach der Angst-Monat September einmal mehr seinem schlechten Ruf gerecht. Schließlich lesen viele Anleger*innen Statistiken. Es wäre also keine Überraschung, wenn Anleger*innen verunsichert bleiben und sich im saisonal schwachen September zurückhalten. Es wäre also durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Börsen im September trotz Zinssenkungen volatil bleiben.

Exkurs zum Angstmonat September

Wäre jemand in den vergangenen 25 Jahren hypothetisch immer nur im September im DAX investiert gewesen, hätte sich der Verlust immerhin auf gut 60 % kumuliert! Wobei man schon einschränken muss, dass die schlimmsten September mit dem Jahr 2001 (rund -17 %) und 2002 (noch schlimmer mit über -25 %) schon lange zurückliegen. Ganz so schlimm war es in den folgenden Jahren bis 2023 dann doch nicht mehr. Aber immerhin gab es beim DAX die letzte positive September-Monatsrendite im Jahr 2019 und in 4 Jahren in Folge negative Monatsrenditen im September von durchschnittlich um die 4 %. Ich denke, mit dem Internet und dem jederzeitigen Online-Zugriff auf Informationen und Depots nehmen saisonale Effekte grundsätzlich ab. Aber die Börse ist vielleicht emotionaler und weniger rational als man glauben mag, und es bleibt von der Börsenweisheit „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ wahrscheinlich immer noch eine selbsterfüllende Prophezeiung übrig. Wenn das so ist, darf man immerhin auf gute Börsenmonate von Oktober bis Januar hoffen.

Wer an die Kraft der Statistik glaubt, wird eher geneigt sein, den September zu ertragen und investiert zu bleiben. In der Vergangenheit hat sich das auch durchaus auszahlen. Nicht ohne Grund heißt es auch „… but remember, to come back in September.“ Denn auf den Ausverkauf im September folgt mit einer guten Wahrscheinlichkeit auf ein erfolgreiches Schlussquartal als versöhnlicher Jahresausklang. Denn statistisch betrachtet zeichnet sich das vierte Quartal des Jahres in der langjährigen saisonalen Betrachtung nämlich als besonders stark aus. Für 2024 bedeutet das, dass der September einmal mehr das Potenzial hat, Angst und Schrecken zu verbreiten.

Annahmen über die Zinsenpolitik

Die meisten Marktteilnehmer rechnen jedoch aufgrund der Aussagen der Notenbanker weiterhin i mit Leitzins-Senkungen durch die US-Notenbank FED (Meeting am 18.9.), als auch die Europäische Zentralbank (Sitzung am 12.9.).

Die am 6.9.2024 vorgelegten Zahlen des US-Arbeitsministeriums bestärkten jedenfalls die Zinssenkungserwartungen des Marktes. Auch der am 11.9.2024 veröffentlichte erwartungsgemäße Anstieg der US-Verbraucherpreise für August um 2,5 %. Die Inflationsrate lag im Votmonat mit 2,9 % noch deutlich höher. Auch das stützt die Zinssenkungserwartungen in den USA für die nächste Woche. Die Kernrate (ohne Nahrung und Energie) stieg im Vergleich zum Vormonat jedoch stärker als prognostiziert (0,3 statt 0,2 %). Damit dürfte  eine Senkung der Leitzinsen nächste Woche um 0,5 % vom Tisch sein und des dürften eher 0,25 % realistisch sein.

Die Aussicht auf sinkende Zinsen versprechen eine grundsätzlich fundamental gute Ausgangslage für die Börsen. Das könnte für den nötigen Auftrieb sorgen, um eine versöhnliche Jahresendrally anzustoßen.

Eine erste Zinssenkung im September scheint in Europa und den USA Konsens zu sein. Nach den jüngsten US-Arbeitsmarkt- und Inflationsdaten wäre zu erwarten, dass die FED den erwarteten Zyklus von mehreren Zinssenkungen ab Q3 2024 mit 0,25 % startet.

Die EZB hat die Leitzinsen im Rahmen der Sitzung vom 12.9.2024 wie erwartet um 0,25 % gesenkt. Im Vorfeld hatten die jüngsten Imflationsdaten den Pfad zum 2-Prozent-Ziel hinreichend bestätigt. Die Kommentare der EZB-Vertreter deuten zudem auf erheblichen Pessimismus hinsichtlich des Wachstums im Euroraum hin.

Fakten, die für NVIDIA sprechen

Da ist zunächst der charismatische CEO und Gründer Jen-Hsun „Jensen“ Huang. Ihm verdankt NVIDIA die konsequente strategische Fokussierung auf Kernkompetenzen und seine Start-up-Mentalität. Beides wichtige Erfolgsfaktoren.

Huang vertritt die Überzeugung, dass Strategie kein Wunschkonzert ist. Weniger ist mehr – wichtig sei, um den Fokus nicht zu verlieren, zu wissen, was man weglassen kann. Nur Glück gehabt und einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Vielleicht, aber auch solche Chancen muss man erst mal rechtzeitig erkennen und nutzen. Jedenfalls gibt ihm der Erfolg recht.

Huang ist ein Visionär und immer auf der Suche nach neuen Trends, die er frühzeitig zu bedienen weiß. Aussichtsreiche Zukunftsmärkte sieht er in der Produktion von Hochleistungs-KI-Chips und in der Bereitstellung und Ausrüstung dezentraler Supercomputer für Generative KI sowie in Virtual Reality, für die NVIDIA Adas sogenannte OMNIVERSE entwickelt hat, eine leistungsstarke 3D-Simulation, die z. B. in der Bauwirtschaft Einsatz findet und den Markt revolutionieren soll. Einen weiteren Zukunftsmarkt erkennt er in der „Robotik“.

Wenn der visionäre CEO wieder Recht behält, wird NVIDIA bestens dafür gerüstet sein, um die Chancen zu nutzen und das ökonomische Potenzial strategisch fokussiert zu verwerten.

Ich werde nun der Frage nachgehen, ob NVIDIA nur ein saisonales Opfer des Angst-Monats September oder ob die Euphorie abgekühlt und der KI-Hype tatsächlich am Ende ist. 

Im zweiten Quartal verbuchte NVIDIA ein starkes Umsatzwachstum von 122 Prozent, auf 30 Milliarden Dollar, was immerhin eine Milliarde Dollar über den Marktschätzungen lag. Gleichzeitig verbesserte sich der Quartalsgewinn von 6,2 auf 16,6 Milliarden Dollar! Damit zeigt sich NVIDIA operativ wieder sehr erfolgreich und außerordentlich wachstumsstark. Damit ist die Aktie mit einem 2025er-KGV von geschätzten 31 immer noch attraktiv bewertet. Doch trotz starker Q2-Zahlen und deutlich übertroffenen Markterwartungen gerät die Aktie in der Folge unter Druck. Da stellt sich die berechtigte Frage: Sind die hohen Erwartungen der Investoren überhaupt noch erfüllbar? 

Grund genug, nun einen kritischen Blick auf mögliche Risiken zu werfen.

NVIDIA-Risiken

Die hohe Bewertung von NVIDIA ist zweifellos untrennbar mit dem Thema KI verknüpft. Ein wesentliches Risiko ist folglich, dass KI die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann. Das würde natürlich Folgen für die NVIDIA-Bewertung haben, denn die Börse sieht NVIDIA wegen der überlegenen Marktstellung bei steigenden Investitionen der Technologiekonzerne als wichtigsten Profiteur des KI-Booms. Die Bäume wachsen jedoch nicht in den Himmel und die astronomischen Erwartungen sind mittlerweile kaum noch erfüllbar, wie der letzte Quartalsbericht gezeigt hat. Trotzdem, dass es gelungen ist, die Erwartungen zu übertreffen, sind dieses Mal die Investoren mit den Q2-Zahlen und der Prognose nicht zufrieden. Eine ungewohnte Erfahrung für Huang. NVIDIA werde den Markt mit der nächsten Generation der GPUs, den sog. Blackwell-Chips, versorgen und das werde damit im vierten Quartal wieder „Milliarden Dollar“ an Umsatz generieren und NVIDIA steht nach seiner Überzeugung ein „großartiges Jahr“ bevor, erklärte Huang verwundert.

NVIDIAs Erfolg ist nicht nur eng mit der Person Huang verbunden, sondern auch mit dem Megatrend KI.

Zum einen ist die treibende Kraft hinter der Erfolgsgeschichte von NVIDIA zweifellos seit mehr als 30 Jahren der Gründer und CEO Jen-Hsun „Jensen“ Huang. Er ist mittlerweile 61 Jahre und denkt (noch) nicht ans Aufhören. Aber auch an ihm wird die Zeit nicht spurlos vorübergehen. Die Personenbezogenheit birgt längerfristig nicht nur Chancen, sondern natürlich auch Risiken.

Zum anderen investieren die Big Techs enorme Summen in Basistechnologie und Hochleistungsserver. Der klare Hauptprofiteur ist NVIDIA. Die dominante Marktposition muss weiter verteidigt werden und die hohen Erwartungen an die Zukunftstechnologie müssen sich erst noch erfüllen, indem sich die hohen Investitionen der Technologiekonzerne auch tatsächlich rentieren. Dieser Beweis muss erst erbracht werden.

Geschäftliche Risiken bestehen demnach nicht nur darin, dass der Visionär Huang dem Unternehmen (altersbedingt) verloren geht. Auch der Megatrend KI selbst bzw. überzogene Markterwartungen stellt ein Risiko dar, nämlich dass weniger Rechenzentren als erwartet gebaut und weniger NVIDIA-Chips als erwartet nachgefragt werden und schließlich der Umsetzungsprozess des Themas KI insgesamt einfach länger als erwartet dauert. Ein Vorgeschmack dafür waren sicherlich die jüngste Marktreaktion auf die eigentlich guten Quartalszahlen. Man darf aber zuversichtlich bleiben, dass sich ein gutes Unternehmen über kurz oder lang immer behauptet und auch angemessen bewertet wird. Der erfolgsverwöhnte Hang wird nach der für ihn frustrierenden Reaktion auf die Q2-Quartalszahlen wohl erst recht alles daran setzen, dass Blackwell eine mindestens so erfolgreiche GPU-Generation wird wie der Vorgänger Hopper. Es ist NVIDIA zuzutrauen, dass das auch gelingen wird und NVIDIA die Konkurrenz weiter auf Abstand halten kann.

Politische Risiken birgt eine mögliche Änderung der Außenpolitik der US-Regierung nach den Wahlen im November dar:

  • Protektionismus & Strafzölle: Im Falle einer Wiederwahl Trumps dürften sich die USA stärker isolieren und es drohen ernste Handelskonflikte mit China und der Europäischen Union.

  • Produktionsstandort Taiwan: Taiwan gilt als wichtigster Produktionsstandort für NVIDIA-Chips. Das Unternehmen könnte derzeit auf Taiwan als Chiphersteller wohl nur schwer verzichten. Ohne die Unterstützung Taiwans durch die US-Außenpolitik könnte es also schwierig werden.

Juristische Risiken bergen wiederum mögliche Probleme mit Kartellbehörden:

  • Diese existieren sowohl in Europa als auch in den USA

  • Aufgrund seiner unbestritten dominanten Marktstellung hängt ein Wettbewerbsverfahren wegen Monopolstellung wie ein Damoklesschwert über NVIDIA. Bisher konnte das abgewendet werden.

Fazit

Ich bin überzeugt, KI ist dabei, sich als eigenständiger Megatrend zu etablieren. Megatrends zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Potenzial haben, viele Lebensbereiche nachhaltig zu verändern. Sie ändern zwar manchmal ihre Richtung, sind aber unumkehrbar. Bei NVIDIA gibt es viel Licht, aber auch Schatten. Insgesamt gibt es jedoch (jedenfalls mal mittelfristig) durchaus Grund für berechtigten Optimismus.

Der Zenit des Hypes um NVIDIA mag überschritten sein, aber die KI-Anwendungen stehen erst am Beginn einer langen Entwicklung und die Fortschritte sind wirklich beeindruckend. Nicht zuletzt wegen von NVIDIA ausgerüsteten und optimierten Rechenzentren für anspruchsvolle KI- und Machine-Learning-Anwendungen. Damit war NVIDIA von Anfang an gerüstet, das Training von KI-Sprachmodellen zu unterstützen und hat sich seine dominante Marktstellung mit Weitblick erarbeitet - und das Potenzial ist wohl noch lange nicht ausgeschöpft. Beispielsweise wird der KI-unterstützten Mustererkennung von Experten ein enormes Potenzial zur Produktivitätssteigerung prophezeit. Das betrifft besonders die Medikamentenentwicklung in der Pharmaindustrie. Das könnte neben höherer Produktivität auch zu schnelleren Innovationen bei der Behandlung von Krankheiten führen.

Wer meine Einschätzung teilt, dass KI ein Musterbeispiel für einen starken Megatrend ist, betrachtet Korrekturen, wie zuletzt erlebt, vermutlich eher als Gelegenheit für einen Kauf und nicht als Anlass für einen Panikverkauf.

Für mich persönlich ist eine rational begründete langsamere Entwicklung allemal nachvollziehbarer als ein emotionaler Hype, der von überzogenen Erwartungen befeuert wird. Obwohl auch ich natürlich gerne solche schnellen Gewinne mitnehme (immerhin über 100 % alleine 2024), blicke ich doch mit Zuversicht und Hoffnung auf eine zukünftige „normalere“ dafür vielleicht aber weniger volatile Kursentwicklung wie zuletzt.

Saudi-Arabien war aufgrund seiner engen Beziehungen zu China von den von der Biden-Regierung beschlossenen Export-Restriktionen von Technologie betroffen. Die diesbezügliche Meldung am 11.9.2024, dass die US-Regierung kurz davor stünde, grünes Licht für einen wichtigen Exportdeal von NVIDIA-Chips nach Saudi-Arabien zu erteilen, sorgte für positive Stimmung.

Ich bin jedenfalls optimistisch, dass der Megatrend KI erst am Anfang steht und ich konnte kein Indiz dafür finden, wieso NVIDIA nicht innovativ genug sein sollte, um die Position als Hauptprofiteur des Megatrends weiter gegen AMD und Intel zu behaupten. Die jüngsten Quartalszahlen sind nach meinem Verständnis ein Beleg dafür, dass NVIDIA nach wie vor wachstumsstark und ertragstark ist. Langfristig gibt es nach meiner persönlichen Überzeugung aber vermutlich noch genug Potenzial, auch wenn NVIDIA kurzfristig vom Angst-Monat September vielleicht nicht verschont bleiben wird.

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Market talk - Ein kurzes Status-Update vor den US-Wahlen

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