Wenn die Angst regiert
Lange hat es nicht gedauert, um Erfahrungen mit dem Krisenmodus an den Märkten zu sammeln. Ich hatte angekündigt, im Falle der nächsten krisenhaften Marktsituation Euch durch einen Sonder-Blogbeitrag zu unterstützen. Das löse ich jetzt ein, denn vermutlich ist der durch die Sondersituation in Japan ausgelöste Mini-Crash Anfang August 2024 ein geeignetes Event. Aus aktuellem Anlass veröffentliche ich somit zeitnah einen Sonderblog, um zu versuchen, die jüngsten Marktturbulenzen ein wenig zu erklären. Wir erleben gerade ein für unsere Gegenwart wohl nicht untypisches Multi-Krisen-Szenario, d. h. das gleichzeitige Auftreten mehrerer Krisen. Das ist schon eine explosive Mischung, die starke Nerven erfordert, von uns allen, von den politischen Führungen und natürlich auch an den Börsen. Machen wir eine kurze Bestandsaufnahme, damit wir uns alle dasselbe Szenario ins Bewusstsein rufen:
Es gab eine scharfe Korrektur in Japan (manche sprechen von einem Mini-Crash mit einem Minus von fast 20 % in wenigen Handelstagen),
immer wieder drohen neue Eskalationen im Nahostkonflikt,
der turbulente US-Wahlkampf,
ein drohender Wirtschaftskonflikt zwischen China und USA,
Unsicherheit betreffend der weiteren Zins- und Inflationsentwicklung,
Angst vor einer US-Rezession, sowie
die Berichte über bürgerkriegsähnliche Ausschreitungen in UK tun ihr Übriges, um unsere Ängste zu schüren und uns die Stimmung zu verhageln.
Das alles trifft die Börsen in Europa, USA und Asien auf höchstem Niveau, da viele Marktteilnehmer auf Gewinnen sitzen. Gewinnrealisierungen fallen bekanntlich leichter als Verlustrealisierungen. Besonders kurzfristig orientierte spekulative Anleger*innen sind nervös. Dazu kommen durch die starke Kursbewegung ausgelöste automatische Stopps.
Die nun beschriebene Abfolge von Ereignissen erklärt nach meiner Überzeugung den Zeitpunkt der heftigen Marktreaktion und die breite Korrektur in allen Assetklassen.
Wenn die Angst regiert
Die erste Welle wurde einmal mehr durch den Verkaufsdruck verstärkt, der durch automatische Stopp-Orders erzeugt wird. Aber für eine ausgewachsene Korrektur (manche sprechen sogar von einem „Mini-Crash“) braucht es mehr. Das „Mehr“ lieferte die Sondersituation in Japan und sogenannte „Carry-Trades“ in Yen und wie so oft eine durch das zufällige Zusammenfallen von Krisensituationen ausgelöste Kettenreaktion.
Exkurs: Was ist ein „Carry-Trade“?
Bei einem Carry-Trade handelt es sich um eine spezielle Spekulationsstrategie, um Unterschiede im Wechselkurs und im Zinsniveau in verschiedenen Währungen zu nutzen.
In unserem Fall verleitete ein schwacher Yen und niedrige japanische Zinsen spekulativ orientierte institutionelle Anleger (z.B. Hedgefonds) zur Kreditaufnahme zu günstigen Zinsen in Yen und der Investition der Liquidität z.B. im US-Markt. Das ermöglichte es von billiger Liquidität aus Yen-Krediten und den steigenden Kursen beispielsweise aus spekulativen Positionen in Technologie-Titeln an der NASDAQ zu profitieren und die Chance zu ergreifen, um die Rendite zu hebeln. Das lief bis Mitte Juli auch bestens. Doch dann schürten Ankündigungen von möglichen Zinserhöhungen in Japan und zeitgleichen Aussagen des Chefs der US-Notenbank (FED) Jerome Powell die Hoffnung auf Zinssenkungen in den USA. In der Folge stieg der Wechselkurs des Yen gegenüber dem USD binnen weniger Wochen um 14 % und gegenüber dem Euro immerhin auch um 3 %. Durch die daraus resultierende Verteuerung der Exportgüter zogen nicht nur für die exportorientierte japanische Wirtschaft Gewitterwolken auf, sondern auch den Carry Trades drohten massive Verluste. Die Kugel rollte. Schließlich sahen sich Carry-Trader offensichtlich mehrheitlich gezwungen, ihre spekulativen Positionen (in boomenden US-Technologie-Aktien, aber auch in anderen Assetklassen) zu schließen, um mit dem Erlös ihre Yen-Kredite zurückzahlen zu können. Der entstandene Verkaufsdruck, verstärkt durch eine zusätzliche Eskalation zwischen Iran und Israel im schwelenden Nahostkonflikt in Verbindung mit Rezessionsängsten in den USA aufgrund veröffentlichter Arbeitsmarktdaten, stellten genau die explosive Multi-Krisen-Konstellation dar, die schließlich in eine emotionale Welle von Panikverkäufen mündete. Gleichzeitig bewegten sich viele wichtige Indizes weltweit auf Rekordniveau, wodurch die Fallhöhe natürlich entsprechend hoch war. Außerdem fallen Gewinnrealisierungen stets leichter als Verlustrealisierungen. Zudem lag aufgrund der zahlreichen Unsicherheiten und der starken Kursanstiege eine Korrektur bereits nahezu in der Luft...
Der Nikkei hatte kurz vor dem größten Einbruch seit 1987 in der ersten Juli-Hälfte 2024 noch mit über 42.000 Punkten (nach nahezu 35 Jahren!) einen neuen Höchststand markiert. Die Schockwelle setzte sich dann über den Globus fort. Schließlich hatten auch in den USA die Aktienmärkte auf breiter Front neue Rekorde markiert. Auch in Europa hatte der DAX Mitte Mai die historische 19.000-Punkte-Marke nur knapp verfehlt.
Eine so kräftige Korrektur findet ihren Boden in der Regel erst dann, wenn die kurzfristig orientierten spekulativen Anleger*innen und die Angsthasen nicht mehr das Marktgeschehen bestimmen. Das könnte bald der Fall sein. Noch allerdings regieren negative Emotionen den Markt und sorgen für kräftige Schwankungen. Da sind starke Nerven gefordert. Der von CNN veröffentlichte Fear&Greed-Index steht am 8.8.2024 mit 19 von 100 Punkten auf „Extrem Fear“. Am 9.8. immer noch nur leicht verbessert bei 24 von 100 Punkten. Wenn sich die Lage im Nahen Osten entschärft und weiter positive Signale die US-Rezessionsängste aus dem Markt nehmen (die neuesten Arbeitsmarktdaten aus den USA haben das angedeutet), könnte die Stimmung also auch wieder schnell drehen. Abseits spekulativer Verzerrungen sorgen die Aussichten auf eine nachhaltige Zinswende mit sinkenden Zinsen in den USA und Europa schließlich für eine positive Grundstimmung an den Märkten dies- und jenseits des Atlantiks.
Die Korrektur als Chance
Von der jüngsten breiten Korrektur waren wie bereits erwähnt nahezu alle Assetklassen betroffen, auch Aktien. Ob der Abverkauf bei allen Werten in diesem Ausmaß rational begründbar war und ob der Abverkauf schon vorbei ist, kann auch ich leider nicht exakt beantworten.
Es besteht nach meiner Einschätzung jedenfalls derzeit kein Grund zur Panik. Die Börsen befinden sich im (lange erwarteten) Korrekturmodus. Jetzt haben die widrigen Umstände die lange erwartete Korrektur ausgelöst. Die Verluste im Depot schmerzen natürlich. Manch werden sich vielleicht über einige ausgestoppte Postionen ärgern. Das Ärgern bringt allerdings niemanden weiter. Die Vergangenheit ist, wie sie ist. In jedem Fall hast Du aus der Erfahrung gewonnen und Du bist wieder ein bisschen besserer geworden. Nutze die gewonnene Erfahrung und konzentriere Dich auf die Zukunft, denn Du kannst nur die zukünftigen Erfolge durch Dein Handeln beeinflussen. Nutze die Chancen, die sich in jeder breiten Markt-Korrektur bieten. Diese Haltung bestimmt jedenfalls seit Jahrzehnten mein eigenes Denken und Handeln. Auch aussichtsreiche Qualitätsaktien sind jetzt nämlich viel günstiger zu kaufen als noch vor wenigen Wochen. Und wer sich wegen der US-Wahl neu positionieren will, kann das zu wesentlich günstigeren Preisen tun. Und günstigere Preise erhöhen auch die Gewinnchancen. Vielleicht ist das auch eine zweite Chance für alle, die die Rally verpasst haben. Wie auch immer: langfristig gesehen kaufen mutige Anleger*innen bei stark korrigierten Aktien-Titeln aktuell mit hoher Wahrscheinlichkeit zu relativ günstigen Einstiegskursen. Das gilt auch dann, wenn es zwischenzeitlich noch etwas weiter runtergehen sollte. Exaktes Timing ist ohnehin unmöglich und wenn es mal gelingt, dann ist es mehr Glück als Verstand …
Mit einer ersten Start-Position können mutige Anleger*innen einen Fuß in die Tür stellen. Börsenweisheit zum Trost, sollte es tatsächlich noch weiter runtergehen: „Wer nicht dabei ist, wenn es runter geht, ist regelmäßig auch nicht dabei, wenn es rauf geht.“ Langfristig orientierte Anleger*innen könnten sich rückblickend mit guter Wahrscheinlichkeit nach der Korrektur über günstige Einstiegskurse freuen.
Richtungsweisend könnte einmal mehr die Veröffentlichung der NVIDIA-Quartalsergebnisse am 23.8.2024 sein.
Jedoch in unruhigen und unsicheren Zeiten im Zweifel mit einem Cash-Polster vorzusorgen und notfalls auf etwas Rendite zu verzichten, ist auch nie falsch.
Noch eine von mir gerne zitierte Weisheit, die treue Blogleser*innen vermutlich schon kennen:
An der Börse gilt in aller Regel nicht 2 + 2 = 4, sondern 2 + 4 -2 = 4. Das muss man leider aushalten können. Daran führt kein Weg vorbei. Ich möchte mit finconaut aber dabei unterstützen.
Wie schnell die Stimmung in so einem emotionalen Marktumfeld umschlagen kann, hat die vergangene Woche (KW 33) gezeigt. Die jüngsten Inflations- und Konjunkturdaten aus den USA haben die Rezessionssorgen wieder in den Hintergrund gedrängt und eine Erholungsrally eingeleitet.
Am Freitag haben im Juli gegenüber dem Vorjahresmonat um 1 % überraschend stark gestiegene Einzelhandelserlöse die Stimmung weiter positiv beeinflusst. Erwartet wurde nur ein Anstieg um 0,4 %. Die positive Überraschung hat die Angst vor einer Rezession in den USA weiter zurückgedrängt. Die Optimisten haben zunächst wieder Oberhand gewonnen. Nun werden wieder zwei Zinssenkungen im September und Dezember erwartet. Noch regiert jedoch die Emotion den Markt. Der CNN Fear & Greed Index hat sich zwar von seinen Tiefstständen von 17 am 5.8.2025 von der Extremen Angst deutlich erholt und steht am 16.8. mit 35 Punkten jedoch immer noch mitten im Angst-Segment.
Mein Interpretation: Es sind immer noch viele kurzfristig orientierte Spekulanten im Markt. Solange das so ist, wird der Markt fürchte ich sensibel und volatil bleiben. Starke Nerven und Mut bleiben somit gefragt.
Megatrends erkennen und nutzen
⚠️ Wie man Megatrends erkennen kann und wieso gerade die Investition in Megatrends die Erfolgschancen erhöhen und gleichzeitig sogar für mehr Stabilität der Performance im Portfolio sorgen kann, möchte ich zum Inhalt des nächsten Blogbeitrages Ende August mit dem Titel „Megatrends erkennen und nutzen“ machen.